SIGNAL 09

 “polyvisionen”

Projektwochen 24.9.- 11.10.09

Dokumentation: 12.10.- 30.11. 09

DEUTSCH-TSCHECHISCHER ZUKUNFTSFONDS

Wir knüpfen an das erfolgreiche Werkstatt- und Ausstellungsprojekt „Signal 07“ an.

Im November/Dezember 2007 hatten sich 14 junge Künstler aus Berlin und Brno zu vier Werkstatt-/Arbeitsphasen und Präsentationen sowie einer abschließenden Ausstellung in Berlin getroffen. Dieses Projekt war im Wesentlichen mit Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds möglich geworden (Projekt-Nr.: (4 07 321)

Im Juni 2008 folgte dann eine erneute Begegnung und eine Ausstellung der Werkstattergebnisse in der Galerie Sypka in der Nähe von Brno. Die Finanzierung erfolgte in diesem Fall im Wesentlichen aus Eigenmitteln und mit Unterstützung der Galerie Sypka

https://www.youtube.com/watch?v=a7Yti2zJH9Q

Mit „Signal 09 – Von Magischen Lampen und Obskuren Kammern“ wollen wir die Kooperation zwischen jungen Künstlern aus Brno und Berlin fortführen und einen Schritt weitergehen.

Wir setzen dieses Mal ein gemeinsames Thema und arbeiten gemeinsam daran, d.h. in der Gruppenarbeitsphase werden alles Beteiligten zur gleichen Zeit vor Ort in Berlin sein und die gemeinsame Multimedia-Produktion erarbeiten.

Zwischen den frühen 1950er und den frühen 1970er Jahren haben tschechoslowakische Künstler bahnbrechende Experimente an der Schnittstelle von bildender Kunst, Theater und Film/Video unternommen. Einer der spannendsten und innovativsten Künstler in diesem Zusammenhang war sicher der Architekt und Bühnenbildner Josef Svoboda.

Gemeinsam mit Alfred Radok hat er das Prinzip der Laterna magika entwickelt, die auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 Triumphe feierte. Gleichzeitig hat Svoboda zu dieser Zeit begonnen mit Installationen wie der Polyekran, Polyvision, Diapolyekran zu experimentieren – die vor allem auf der Weltausstellung in Montreal 1968 für Aufsehen sorgten. Hochkomplexe Konfigurationen aus Film- und Diaprojektoren mit bis zu 112 Einzelbildquellen, die sich zum Teil räumlich bewegen ließen oder auf Objekte im Raum projiziert wurden und von aufwändig programmierten Schaltungen gesteuert wurden.

Wenig bekannt ist, dass Svoboda bereits 1965 in Boston bei einer Operninszenierung mit Live-Fernsehtechnik gearbeitet hat. Aktionen von der Straße, aus Studios und dem Zuschauerraum wurden in Echtzeit in die Bühnenhandlung integriert, mit Hilfe lichtstarker Eidophor-Projektoren in den Bühnenraum übertragen.

Svoboda und seine Mitarbeiter haben hier Dinge entwickelt, die erst viel später in den 1980er Jahren von international renommierten Videokünstlern wie Bill Viola oder Tony Oursler u.a. wieder aufgenommen wurden.

Und nicht nur das – es sei zumindest noch darauf hingewiesen, dass Polyekran, Polyvision, Diapolyekran auch im Bereich der Pop-Musik und der Pop-Kultur nachhaltige Wirkung entfalteten.

Der bekannte tschechische Musikjournalist und Radiomoderator Jiří Černý weiss, dass in den „1960er Jahren auch die Hippies in Kalifornien das Prinzip der Polyekran in ihren Konzerten anwendeten“ (Und er fügt mit Blick auf Tschechien und vermutlich leichtem Bedauern hinzu: „Seit dem haben wir nichts vergleichbar Bedeutendes mehr zur weltweiten Rock-Musik beigetragen.“)

Wir wollen die Arbeiten und Erfindungen von Josef Svoboda zum Ausgangspunkt einer Erkundung in Multi-Medialen-Welten nehmen. Uns interessiert die Parallelität von High-Tech und handwerklicher Detailarbeit (vieles, was heute computergeneriert wird, sich also der Software verdankt, wurde damals noch in minutiöser „Handarbeit“ gebaut und in Bewegung gesetzt, animiert). Uns interessiert, wie wir neuste Technik und die Möglichkeiten der Vernetzung über das Internet auf die Ideen und Prinzipien von Svoboda anwenden können.

In „Exkursionen“ wollen wir uns darüber hinaus mit der Vorstellungswelt von Zdeněk Pešánek und dessen kinetischen Objekten sowie mit Miroslav Tichý und seinen Fotoarbeiten bzw. dem Prinzip der

Camera obscura befassen – auch um eine kleine Traditionslinie aufzuweisen in der die Experimente der Laterna Magika und Svobodas Polyvisionen stehen. Wir gehen dabei von den aktuellen Forschungen zu der Arbeit von Josef Svoboda in den der Texten von Daniela Kramerová und den Überlegungen des Theoretikers Jiří Zemánek zu den ersten Experimenten mit dem elektronischen Bild in der Tschechoslowakei aus.

In der Vorbereitungsphase von April bis Mitte Juni werden die einzelnen Künstler in enger Abstimmung miteinander in Berlin und Brno recherchieren, Entwürfe entwickeln, Bild- und Tonmaterial soweit wie möglich vorbereiten und editieren.

Teil- bzw. Zwischenergebnisse, einzelne Arbeitsschritte werden auf dem eigenen Web-Log dokumentiert, präsentiert, zur Diskussion gestellt.

Im Anschluss an die Arbeitsphase und Produktion wird auf ähnliche Weise wiederum in Gruppen in Brno und Berlin gearbeitet und kommuniziert – endgültige Schnittfassungen der TV-/Internet-Produktion, Dokumentation/Materialienheft entstehen.

In der Werkstatt-Arbeit in PremArts wird gleichsam das „analoge Rüstzeug“ der Produktion entstehen“ – funktionstüchtige Varianten von Laterna Magika und Camera obscura, sowie Kulissen, Prospekte etc., die dann in der Studio-Arbeit im OKB in die Studiotechnik integriert werden, eigenes Bildmaterial liefern oder zu Requisiten, Anschauungsobjekten werden.

Entstehen soll eine interaktive multimediale Produktion zwischen Fernsehstudio, Galerie und Internet, zwischen Berlin, Brno und der Netzwelt.

Die Beteiligten interessiert gerade diese Engführung von handwerklicher, künstlerischer Arbeit und der Arbeit im oder am virtuellen, medialen Raum.

Die Video-Künstlerin Sonja Bender wird eine Werkstatt zu Video-Live-Cut und VJing anbieten und während der Arbeitsphase im Bereich Videokunst/-technik assistieren / kuratieren.

Der (Performance-)Künstler und Leiter der Frozen Academy Josef Danek wird eine Werkstatt zu Theatralität und Performance abhalten.

Für die Produktion werden verschieden Musiker, die bereits in Signal 07 kooperiert haben, mit den Künstlern aus Brno und Berlin zusammenarbeiten – Phlex, Doc Schoko, Mitch Alive u.a.

Parallel zu der Produktion und in Nachbereitung der Kunstaktion entsteht ein Heft, das sich auf künstlerische Weise die Recherchergebnisse zu Laterna magika und camera obscura, Reflexionen und Visionen verbindet.

Das Heft soll im Herbst 2009 in Kooperation mit dem Brünner Verlag Větrné mlýny herausgegeben werden.

Kooperationspartner für die Studioarbeit, Fernsehaufzeichnung und –ausstrahlung wird der Offene Kanal Berlin sein.

Das Projekt schafft die Möglichkeit für junge Künstler in Brünn und Berlin sich in einer intensiven gemeinsamen Arbeitsphase mit klarer Zielsetzung (Erarbeitunmg gemeinsamer Prodkution) kennen zu lernen, nicht nur persönlich, sondern auch in ihrer Arbeitsweise und Arbeitstechniken sowie den künstlerisch-ästhetischen Vorstellungen.

Berlin ist gerade eine hochattraktive Stadt für Künstler aus aller Welt. Hier lassen sich in einer für Mitteleuropa einmaligen Weise aktuelle künstlerische Strömungen in ihrem Entstehen und in ihrer Entwicklung wahrnehmen.

Wir laden junge Künstler aus Brünn ein, hier sich mit ihren Konzepten, Ideen und Arbeiten zu präsentieren und in einen produktiven Dialog mit ihren Partnern und einer interessierten und kritischen Öffentlichkeit zu treten.

Die gemeinsame Arbeit als Gruppe deutscher und tschechischer Künstler hat Bedeutung für die persönliche wie für die künstlerische Entwicklung.

Durch die Beschäftigung mit einem hochaktuellem Thema wie Multimediale-/virtuelle Welten, wobei die die Pionierleistungen von tschechischen Künstlern auf diesem Gebiet, ihre Überlegungen und Entwicklungen Ausgangspunkt der Beschäftigung sind, besteht die Möglichkeit einem größeren Publikum zeitgenössische tschechische Kunst näher zu bringen und in einem weiteren Sinne tschechische Kultur, wie sie sich in Begegnungen und Gesprächen während der Arbeitsphase je auch zugleich mitteilt.

Durch die Arbeit in einem kulturell lebendigem Bezirk wie Kreuzberg mit der Vielzahl an Galerien, Kultureinrichtungen und jungen, engagierten Projekten, werden sich zwanglos Kontakte herstellen, über die sich weitere gemeinsame Projekte ergeben werden und damit ein über das eigentliche Projekt hinausreichender Austausch zwischen Brünn und Berlin.

Einen kreativen Austausch wird es vor allem auch mit den mit der Galerie verbundenen Berliner und internationalen Künstlern geben.